Protest gegen Schröder, Hartz & Co.

Kämpferische Demo

Auch, wenn Bundesregierung und ein nicht unwesentlicher Teil der Medien es gerne anders hätte: Die Proteste gegen "Hartz IV" un die "Agenda 2010" gehen weiter. Am 2. Oktober kamen zu einer schlecht vorbereiteten bundesweiten Demonstration Zehntausende nach Berlin. Die Polizei sprach von 45.000 Teilnehmern, einige Veranstalter von 70.000, andere wiederum von 60.000. Der Demonstrationszug brauchte über eine Stunde, um am Bahnhof Friedrichstraße vorbeizuziehen, insofern sind die Angaben der Veranstalter wahrscheinlich realistischer.

Einige Medien bemühten sich, Teilnehmerzahl und Stimmung klein zu reden. So wurde behauptet, die Veranstalter hätten ursprünglich 100.000 erwartet, was ziemlich frei erfunden ist. In den Pressemitteilungen war im Vorfeld immer sehr vorsichtig von "Zehntausenden" gesprochen worden, unter anderem auch, weil die Mobilisierung insbesondere in Berlin denkbar schlecht gelaufen war. In der Hauptstadt gab es kaum Flugblätter und Plakate, die zur Demo aufgerufen hätten. Einige Zeitungen berichteten auch, Ost und West habe auf der Demo nicht zueinander gefunden, was ebenfalls frei erfunden ist. Busse kamen aus über 90 Städten, darunter auch München, Freiburg und Flensburg, sowie natürlich aus dem Ruhrgebiet und vielen ostdeutschen Städten.

Am Rande der Demonstration kam es zu einigen exzessiven Gewalttätigkeiten seitens der Polizei, wurde auf der Internetseite de.indymedia.org berichtet. Dass die mitmarschierende PDS-Prominenz, die in Berlin mitregiert und damit auch für die Polizei (wie auch für die Umsetzung von Hartz IV) verantwortlich ist, wurde hingegen nicht bekannt. Statt dessen entblödete sich Berlins PDS-Vorsitzender Stefan Liebich das Ende der Montagsdemonstrationen auszurufen. Die PDS war in der Hauptstadt allerdings schon aus dem örtlichen Bündnis ausgestiegen, nach der dieses es aufgefordert hatte, von der Umsetzung von Hartz IV abzusehen. Als Regierungspartei sind die "Demokratischen Sozialisten" an der Spree für zahlreiche Maßnahmen wie Erhöhung der Gebühren für Kindertagesstätten, den Ausstieg aus dem Flächentarifvertrag des öffentlichen Dienstes, Schließung von Krankenhäusern, massive Lohnsenkungen in verschiedenen Sektoren des öffentlichen Dienstes und anderes verantwortlich.

Unterdessen war die Demonstration durch phantasievolle Schilder und Transparente, sowie eine kämpferische Stimmung gekennzeichnet. Statt der üblichen, gelangweilten Latschdemos waren viele Sprechchöre zu hören, die sich oft direkt gegen die Regierung richteten. Rufe nach Rücktritt waren verbreitet, wie auch der Wille, nicht locker zu lassen. Auffallend große Blöcke gab es von der PDS und den Anarcho-Syndikalisten und Autonomen. Ansonsten waren viele Bündnisse vertreten, die in ihren Städten die Montagsdemonstrationen organisieren. Auch türkische und kurdische Einwanderer waren mit verschiedenen Organisationen gut vertreten. Unter anderem hatte die Kieler AGIF-Gruppe einen Bus organisiert, wie Teilnehmer in Berlin berichteten. Scheinbar war das aber nicht über den AGIF-Umkreis hinaus bekannt.

Auch einige lokale Sozialforen waren an ihren Transparenten erkennbar. Ebenso zahlreiche Gewerkschaftsgruppen, auch wenn die Gewerkschaftsvorstände nicht zur Teilnahme aufgerufen hatten. In Redebeiträgen und Sprechchören war immer wieder zu hören, dass der Protest weiter gehen werde. Für den vergangenen Montag (kurz nach Redaktionsschluss) waren noch immer in über 100 Städten Montagsdemos geplant. Auch in Kiel sollen die wöchentlichen Proteste vorerst weitergehen (Siehe Beitrag in dieser Ausgabe.)

Die MLPD hat bis zu letzt an ihrem Spalterkurs festgehalten und einen Tag später demonstriert. Auch einige der Migrantenverbände wollten sich anschließen. Bürgerliche Medien schrieben von 3.000 Teilnehmern, die "Rote Fahne" der MLPD von "über 20.000". Augenzeugen berichten auch von dort eine kämpferische Stimmung. Verlässliche Informationen über die Zahlen waren bis Redaktionsschluss nicht zu bekommen.

Wie berichtet, war einer der Gründe, weshalb man sich mehrheitlich für den 2. Oktober entschieden hatte auch, dass zeitgleich Aktionen in anderen europäischen Städten stattfinden würden. Während allerdings in Dänemark die Proteste wegen schlechter Vorbereitung weitgehend ausfielen, kamen in Amsterdam über 200.000 Demonstranten zusammen. Dort wurde mit dem größten Protestmarsch seit 20 Jahren gegen ein Sparpaket der Regierung demonstriert, das unter anderem Angriffe auf Arbeitslose, Lohnkürzungen und Verlängerung der Arbeitszeit vorsieht. Auch in Frankreich soll es in verschiedenen Städten Solidaritätsaktionen mit den Protesten in den Niederlanden und Deutschland gegeben haben.

(wop)